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Neues Wohnungseigentumsgesetz 2022

Mit 2022 ändert sich einiges am Wohnungseigentumsgesetz. Wir geben Auskunft über die wichtigsten Änderungen. Dazu gehört die Mindestrücklage, die vereinfachte Beschlussfassung nach teilgenommenen Stimmen und die vereinfachte Umsetzung von Änderungsmaßnahmen am Wohnungseigentumsobjekt.

Lupe Häuser auf Zeitung

Änderungsrecht am Wohnungseigentumsobjekt

Das Änderungsrecht am Wohnungseigentumsobjekt nach § 16 WEG ist grundsätzlich eine sogenannte Verfügungshandlung, also Aufgabe des/der einzelnen betroffenen Wohnungseigentümer*in und nicht der Hausverwaltung. Hierbei erleichtert sich einiges für bestimmte Maßnahmen. Insbesondere Solaranlagen, Ladeanlagen für elektronisch betriebene Fahrzeuge sowie Beschattungsanlagen können nun erheblich leichter errichtet werden.

Änderung am Wohnungseigentumsobjekt

Privilegierung von Langsamladestationen von E-Fahrzeugen und barrierefreien Umbauten

Grundsätzlich braucht es für Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft die Zustimmung aller Wohnungseigentümer*innen. Stimmen nicht alle Wohnungseigentümer*innen zu, gibt es die Möglichkeit das Gericht anzurufen, damit dieses die Zustimmung des Wohnungseigentümers ersetzt. Das Gericht muss, um die Zustimmung ersetzen zu können, unter anderem prüfen, ob das geplante Vorhaben üblich ist oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers, der die Änderung vornehmen will, dient. Bei den sogenannten privilegierten Änderungen ist dies jedoch nicht notwendig.

Dazu gehören seit der Novelle von 2022 nun auch:

Erleichterung bei der Umsetzung von privilegierten Maßnahmen

Ziel der Gesetzesänderung (§16 Abs 5 WEG) ist es, Eigentümern die Umsetzung bestimmter Maßnahmen auch an allgemeinen Teilen der Liegenschaft zu erleichtern. Neben E-Ladestationen und barrierefreien Umbauten gehören folgende Maßnahmen dazu:

  • der Einbau von Einzel-Photovoltaikanlagen bei Wohnungseigentumsobjekten, die als Einzel- oder Reihenhäuser gestaltet sind
  • einer Beschattungsvorrichtung an allgemeinen Teilen der Liegenschaft
  • einer einbruchsicheren Haustür an allgemeinen Teilen, sofern sie sich harmonisch in das Erscheinungsbild des Hauses einfügen

Bisher war es für Wohnungseigentümer bei Änderungswünschen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft notwendig, die Zustimmung aller Eigentümer einzuholen (Einstimmigkeit bei Verfügungshandlungen). Eigentümer, die sich nicht äußerten, konnten so Änderungen blockieren. Für die genannten Änderungen sieht der Gesetzesgeber nun ein vereinfachtes Beschlussverfahren vor (vereinfachte Zustimmungsfiktion). Ein/e Eigentümer*in kann solche Veränderungen nun vornehmen, wenn die übrigen Eigentümer innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntmachung des Vorhabens keinen Widerspruch eingelegen. Die Bekanntmachung bzw. Verständigung muss in Textform erfolgen, die Änderungen müssen klar beschrieben sein und auf die Zustimmungsfiktion hingewiesen werden. Jedoch können Eigentümer auch bei unterlassenem Widerspruch gegen eine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung ihres Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekts vorgehen. Die Kosten für Änderungen, haben die Eigentümer zu tragen, die eine Änderungen vorgenommen haben.

Langsamladestationen von E-Fahrzeugen: Gemeinschaftliche Versorgung

Hat ein/e Wohnungseigentümer*in bereits vor der WEG-Novelle, das heißt vor Jänner 2022, eine Ladeanlage für elektrisch betriebene Fahrzeuge errichtet, kann ihm/ihr die Nutzung dieser nicht untersagt werden. Wurde eine Ladeanlage jedoch nach dem 31.12.2021 errichtet, kann einem/r Wohnungseigentümer*in die Nutzung dieser frühestens fünf Jahre nach ihrer Errichtung von der Eigentümergemeinschaft untersagt werden. Dies setzt voraus, dass eine Ladestation, die die Stellplätze aller Wohnungseigentümer mit einer Ladevorrichtung versorgt, geschaffen wird und dass mit dieser gemeinsamen Ladeanlage die Versorgung der Liegenschaft besser genutzt werden kann.

Gemeinsamen Ladestationen wird also Vorrang gegenüber einzelnen Ladestationen eingeräumt. Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist, dass die Eigentümergemeinschaft einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Von der Beschlussfassung über die Schaffung einer gemeinsamen Ladestation sind jene Wohnungseigentümer, die bereits über eine Einzel-Ladevorrichtung verfügen, ausgeschlossen. So sollen Interessenskonflikte bei der Abstimmung vermieden werden.

Hat der einzelne Wohnungseigentümer für die Errichtung seiner Ladeanlage, dessen Nutzung ihm untersagt wird, Kosten aufgewendet, können ihm diese unter Umständen ersetzt werden. Sollte er zur Schaffung seiner Ladestation z.B. die Stromleitungen verstärkt oder die Anschlussleistung erhöht haben und so die allgemeinen Teile der Liegenschaft verbessert haben, steht ihm ein Anspruch auf Aufwandersatz zu.

Kontaktdatenweitergabe durch die Hausverwaltung

War es bisher gerade wegen der DSGVO schwierig, die Kontaktdaten der einzelnen Miteigentümer*innen von der Hausverwaltung zu erhalten, wird dies nun mit dem neuen WEG erleichtert:

Benötigt ein/e Wohnungseigentümer*in die Daten anderer Eigentümer für eine vom WEG gedeckten Verständigung (wie eben das Änderungsrecht), muss die Verwaltung Auskunft geben (§ 20 Abs 8 WEG). E-Mailadressen dürfen zwar nur mit Einwilligung der betreffenden Eigentümer übermittelt werden. Allerdings darf ein/e Wohnungseigentümer*in die Weitergabe der E-Mailadresse nur untersagen, wenn andere Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme bestehen, etwa die Anschrift bekannt ist. Das heißt die einzelnen Wohnungseigentümer*innen erhalten damit zumindest auf Nachfrage bei der Hausverwaltung die inländische Postanschrift der anderen Miteigentümer.

Mindestrücklage von 0,90 €

Die Bildung einer angemessenen Rücklage war bereits vor 2022 verpflichtend. Jedoch hat das Gesetz bis zur Novelle keine Mindesthöhe der zu bildenden Rücklage vorgesehen. Die strittige Frage daher, die jede Hausverwaltung beschäftigt hat: Was ist angemessen? Es wurden oft zu niedrige Beträge eingezahlt und notwendige oder gebotene Investitionen konnten nicht vorgenommen werden bzw. mussten aufgeschoben werden. Alternativ mussten auch vielfach Darlehen zur Sanierung aufgenommen werden.

Die WEG-Novelle macht nun eine Instandhaltungsrücklage in Höhe von 0,90 Euro je Quadratmeter Nutzfläche und Monat verpflichtend. Die Aufteilung auf die einzelnen Wohnungseigentümer*innen erfolgt nach grundbücherlichen Nutzwerten. Von dieser Mindestdotierung darf nur folgenden Fällen abgerückt werden:

  • Wenn die bereits vorhandene Rücklage ein besonderes Ausmaß hat.
  • Wenn das Gebäude erst vor Kurzem neu errichtet wurde oder eine durchgreifende Sanierung stattgefunden hat.
  • Wenn sich die Wohnungseigentümer in einer Reihen- oder Einzelhausanlage im Wohnungseigentum bereits vertraglich verpflichtet haben, die Kosten für die (gesamte) Erhaltung ihres Reihen- oder Einzelhauses selbst zu tragen.

Instandhaltungsrücklage

Erleichterte Beschlussfassung (bei Eigentümerversammlungen)

Vor der Novelle 2022 konnte ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft nur mit der Zustimmung von Miteigentümern mit mehr als 50 % der gesamten Miteigentumsanteile zustande kommen. Mangels Interesse erscheinen Miteigentümer jedoch oft nicht bei Eigentümerversammlungen bzw nehmen nicht an Abstimmungen teil. Ihre nicht abgegebenen Stimmen verhinderten oftmals das Zustandekommen von Beschlüssen, obwohl die nicht anwesenden Miteigentümer dem Gegenstand des Beschlusses womöglich gar nicht entgegenstanden.

Damit Vorhaben nicht mehr an der nötigen 50 % Mehrheit scheitern, führte die Novelle 2022 eine zweite Möglichkeit der Beschlussfassung ein: Eine für Beschlüsse notwendige Mehrheit auf Eigentümerversammlungen kann nicht mehr nur mit der Mehrheit ALLER Miteigentumsanteile zustande kommen.

Zusätzlich sind seit der Novelle auch Mehrheitsbeschlüsse möglich, die auf Basis von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen (berechnet nach Miteigentumsanteilen) gefasst werden. Diese Mehrheit muss zudem mindestens ein Drittel aller Miteigentumsanteile betragen (§ 24 Abs 4 WEG).

Beschlussfassung im Wohnungseigentum

Eigentümerversammlungen online

Ein Thema, das vor allem durch die Coronakrise und Lockdowns entstand ist, ob Eigentümerversammlungen auch online über Videokonferenz gesetzlich möglich sind. Auch dieses Problem wurde mit dem neuen WEG nun gelöst:

Mit der Novelle 2022 wurde eingeführt, dass der/die Hausverwalter*in einzelnen Wohnungseigentümern die elektronische Teilnahme an Eigentümerversammlungen, etwa durch eine Zuschaltung zu Präsenzversammlungen via Videokonferenzverbindung, ermöglichen kann. Ob eine solche Hybridversammlung abgehalten wird, liegt jedoch im Ermessen der Hausverwaltung. Einzelne Wohnungseigentümer haben darauf also keinen Anspruch.

Eigentümerversammlungen

Duale Finanzierungsoption bei Sanierungen

Größere Arbeiten an der Liegenschaft wurden mangels ausreichender Rücklage in der Vergangenheit oft durch die Aufnahme eines Kredites finanziert. Wollten einzelne Miteigentümer den auf ihren Teil entfallenen Betrag der erforderlichen Kreditsumme aus eigenen finanziellen Mitteln direkt bezahlen, war dies nicht möglich.

Mit der Novelle 2022 wurde daher der duale Finanzierungsmodus eingeführt, bei dem die Kreditfinanzierung und die direkte Zahlung durch Miteigentümer kombiniert werden können. Macht ein Wohnungseigentümer von der Möglichkeit einer direkten Zahlung Gebrauch, muss eine geringere Kreditsumme aufgenommen werden und die – verringerte – Kreditfinanzierung ist von den übrigen Wohnungseigentümern zu tragen.

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Kurz zusammengefasst

Folgendes ändert sich mit neuem Wohnungseigentumsgesetz 2022:

  • das Änderungsrecht gem. § 16 WEG für Wohnungseigentumsobjekte wird erleichtert:
    Ladestationen zum Langsamladen von E-Fahrzeugen und Maßnahmen zur Barrierefreiheit werden ebenfalls für den Stimmersatz vor Gericht priviligiert, für priviligierte Maßnahmen besteht nun eine Zustimmungsfiktion, bei der die Information aller Wohnungseigentümer*innen reicht. Ein einstimmiger Beschluss ist damit nicht mehr erforderlich.
  • es gibt nun eine Mindesthöhe der Instandhaltungsrücklage
  • Zusätzlich zur 50 % Mehrheit bei Beschlüssen gibt es nun die 2/3 Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn diese 1/3 aller Anteile ausmachen
  • Eigentümerversammlungen sind auch online möglich
  • größere Arbeiten an der Liegenschaft können dual finanziert werden d.h. es besteht Wahlmöglichkeit zwischen Einmalzahlung des Anteils und Mitbeteiligung am Gemeinschaftskredit
  • Kontaktdaten (zumindest die Postanschrift) der Miteigentümer*innen dürfen nun durch die Verwaltung mitgeteilt werden. Für E-Mail-Adressen braucht es die Zustimmung durch den/die betroffene Wohnungseigentümer*in

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