Ansicht in das Tal von Schlegeis

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Carmen Rezac

Carmen Rezac

Marketing & PR | Immobilienmaklerin

ESG in der Immobilienwirtschaft

Das Buzzword ESG steht in der Immobilienwirtschaft der EU nicht nur auf der Expo Real 2022 in München auf dem Programm, sondern ist auch sonst in aller Munde. Was das eigentlich heißt, was in der Zukunft auf uns zukommen wird und wie das Thema eigentlich jeden, nicht nur große Investoren, Projektentwickler und wie sie alle heißen, sondern die ESG auch im Grunde alle etwas angeht. Ein Praxiskommentar von der kleinen Hausverwaltung/dem Immobilienmakler von nebenan auf dem ersten Messebesuch der großen Expo Real.

ESG Brainstorming

ESG in der Immobilienwirtschaft, quo vadis?

Drei Buchstaben, drei Punkte die ESG ausmachen: Environment (ökologische Verantwortung), Social (soziale Verantwortung) und Governance (gute Unternehmensführung) auf diesen 3 Säulen baut ESG mit dem Ziel auf umfassende Nachhaltigkeit zu erreichen. Und zwar sowohl mit Blick auf das unternehmerische Handeln und dessen Auswirkungen, etwa auf die Umwelt, als auch um Unternehmensethik und soziale Verantwortung.

Auf den ersten Blick auf der Expo Real 2022 fällt auf: Es beschäftigen sich sowohl große Immobilieninvestoren als auch Projektentwickler im großen Stil mit der Aufgabe, soziale und umweltverträgliche Investitionen (SRI, wieder was gelernt) möglich zu machen um ihr Asset Management (Immobilien als Vermögensanlagen) nicht nur von Profitabilität abhängig zu machen, im Bau wiederum beschäftigt man sich maßgeblich damit nachhaltig zu bauen. Offensive, statt defensiv verkriechen, so scheint die Devise. Wie viele auf der Expo etwas von ESG verstehen lässt sich auf den ersten Blick nicht erkennen. Aber was heißen die einzelnen 3 Buchstaben nun konkret für die Immobilienwirtschaft? Gehen wir es doch mal im Detail durch (jedoch mal nicht für die großen Player sondern für uns kleinen):

E wie Environment

Die ökologische Verantwortung zum Erreichen der Klimaziele leuchtet wohl jedem ein. Erst recht, wenn man sich vor Augen ruft, dass 40% aller CO2-Emmissionen auf Gebäude entfallen. Themen wie Umweltschutz, Schutz von Arten & Ressourcen, Energieeffizienz und Treibhausgasemissionen rufen wohl nicht nur Naturwissenschaftler*innen zum Schlachtplan auf. Für Neubauten: Klar alles easy, nur halt ziemlich teuer, aber zumindest steht das Gebäude nicht schon. Für den Bestand: Oje… Immerhin muss erstmal erfasst werden, wie es um das Gebäude wirklich steht. Und Zustandsverbesserung: Wer soll das bezahlen? Im Wohnungseigentum: Die Eigentümergemeinschaft… aber ist ESG nun ordentliche oder außerordentliche Verwaltung? Im Alleineigentum oder ideellen Miteigentum (das Mietshaus): Der/die Vermieter*innen… im Vollanwendungsbereich heißt es nur: oh danke liebe Mietzinsreserve?

Viele Fragen, wenig Antworten, also weiter zum nächsten Punkt.

S wie Social

Soziale Gerechtigkeit, Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit für alle Beschäftigten entlang der Wertschöpfungskette: Klingt gut und sinnvoll für den Neubau, gerade bei dem Bau/Anteil von Sozialwohnungen, der kommunalen Infrastruktur usw. Wie sieht es allerdings im Bestand aus? Was hier als erstes an Gedanken aufploppt sind die Themen Barrierefreiheit und die liebe ÖNORM B1300. Und wieder stellt sich nur die Frage: Oje, wer soll das bezahlen? Und again the same procedure…

G wie Governance

Wer nun denkt, der Gesetzgeber steht auf dem Prüfstand, irrt hier. Nein, vielmehr geht es um das ethische Verhalten eines Unternehmens, also Transparenz, Umgang mit Bestechung und Korruption, Chancengleichheit und die Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns auf die Gesellschaft. Bei großen Unternehmen, in der Politik, nun im Grunde egal wohin man medial blickt und welcher Skandal gerade Schlagzeilen macht, denkt man sich wohl eher “was Hänschen lernt, lernt Hans auch nie”. Dass Profitmaximierung auf Kosten anderer nicht der Weisheit letzter Schluss ist, ist wohl auch klar. Abgesehen also von der Einhaltung der Gesetze (was selbstverständlich sein sollte?) und den damit einhergehenden Offenlegungspflichten sind die einzigen Gedanken hierzu: Transparenz durch Digitalisierung. In der Hausverwaltung unser digitales Belegarchiv, umfassende Informationen für jeden uvm. Und letztlich aus der Maklerbranche gesprochen, auch wenn es nicht in unserer Hand liegt (sondern in der unseres Auftraggebers), aber auch generell für die Gesellschaft: Jedem/r Interessenten/in unabhängig von ethnischer Herkunft, Religionszugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung uvm. eine faire Chance geben.

Konsequenzen aus ESG: Wofür denn nun?

Primär ist ESG für Neubauten interessant und für Investoren, in dem Bereich ergeben sich auch viele neue tolle Abkürzungen. Aber wie betrifft es denn nun den Ottonormalverbraucher (sofern es Herrn Mustermann oder Frau Musterfrau gibt)? Nun wenn man Trends so lauscht heißt es künftig: Sanieren/Renovieren? ESG. Anlegerimmobilie verkaufen? ESG.

Immobilienbewertung

Und tatsächlich für letzteres sieht man: Das sogenannte ECORE-Scoring (ESG Circle of Real Estate), setzt sich (ganz langsam) als Bewertungsstandard zur Risikoabwägung bei Immobilieninvestments durch, ist also für jede/n Verkäufer*in interessant, der/die Anlegerimmobilien verkaufen will. EU-Taxonomie-Kriterien (welche auch künftig in die Wertermittlung einer Immobilie mit einfließen werden) und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens werden dabei automatisch beachtet. Der ermittelte Score-Wert wird anhand einer Skala von null bis 100 Punkten ersichtlich. Schlussendlich heißt das Ganze auch für “kleine” Verkäufer*innen, gerade bei Anlegerimmobilien: ESG hat einen Einfluss auf die Wertermittlung. Im Moment noch nicht so sehr, aber oft wird aus was kleinem mal etwas größeres, das beständig wächst und zack: Plötzlich ist die Anlegerimmobilie um einen Bruchteil weniger wert, weil einem das Thema aus den Augen geglitten ist. Die gute Nachricht jedoch: Im Moment befindet sich alles noch in der Entwicklung. Das heißt im Sammeln von Daten, Standardisierter Vergleichbarkeit und Verbindung kaufmännischer und technischer Daten.

Regularien?

Als kleine Hausverwaltung oder Immobilienmakler liest sich ESG mal so in der Theorie ganz nett… und auch die Idee ist ganz nett und das große Ziel Nachhaltigkeit, gerade, wenn es um das große Ziel geht die Klimaerwärmung zu stoppen. Aber ganz ehrlich: Auch wir als “kleine” konnten bei der Expo Real 2022 keine Antwort darauf finden, wer das bezahlen soll. Gesetzliche Regularien fehlen bis dato, auch wenn es erste Entwürfe immer wieder gibt.

Erhöhen die Länder die Steuern (und vergeben Fördergelder), yippie alle zahlen es. Lässt man Wohnungseigentümer*innen und kleine Vermieter*innen auf den Kosten sitzen: Hurra, nicht unser Problem. Lässt man alles so wie es ist: Verdammt, die Betriebs- & Heizkosten steigen bis ins Unermessliche und niemand kann es sich mehr leisten.

Kurzum, es war sowohl spannend als auch irgendwie beängstigend, etwas über die Zukunft und ESG zu lernen. Einerseits ja Klimaschutz und ESG ist sehr wichtig, wir können es uns nicht leisten, so weiter zu leben wie bisher. Andererseits gerade in Verknüpfung mit den momentan gestiegenen (und vermutlich nochmal steigenden) Kosten: Kann sich jede/r Kleine es leisten, aus eigener Tasche etwas daran zu ändern. Und sollte nicht gerade (so wie es uns die Politik eingebläut hat) Wohnungseigentum der “sichere” Hafen raus aus der Miete sein?

Wir danken der Expo Real 2022 für die vielen wertvollen Eindrücke zum Thema, auch wenn es schlussendlich als Kleiner d.h. KMU wie wir oder aber Sie als Wohnungseigentümer*in & Mieter*in noch nicht betrifft, ist es trotzdem wichtig und wertvoll, sich mit solchen Themen frühzeitig auseinander zu setzen, auf das wir allesamt keinen Einfluss haben.

ECORE-Scoring

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