Luftansicht auf Wiesing

Ertragswertverfahren in der Immobilienbewertung

Das Ertragswertverfahren ist eine Methode um den Verkehrswert einer Immobilie auszurechnen. Dabei wird der Wert aus den zu erzielenden Erträgen also Mieteinnahmen abgeleitet. Wie sich der Ertragswert errechnet, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Aus Papier ausgeschnittenes Haus liegt auf Grundrissplan neben einem Berg Münzen

Was ist das Ertragswertverfahren?

Im Ertragswertverfahren wird der Wert der Immobilie durch Kapitalisierung des für die Zeit nach dem Bewertungsstichtag zu erwartenden oder erzielten Reinertrags zum angemessenen Zinssatz und entsprechend der zu erwartenden Nutzungsdauer der Immobilie ermittelt. Hierbei ist von jenen Erträgen auszugehen, die aus der Bewirtschaftung der Immobilie tatsächlich erzielt wurden (Rohertrag). Durch Abzug des tatsächlichen Aufwands für Betrieb, Instandhaltung und Verwaltung der Immobilie (Bewirtschaftungsaufwand) und der Abschreibung vom Rohertrag errechnet sich der Reinertrag. Die Abschreibung ist dabei nur abzuziehen, soweit sie nicht bereits bei der Kapitalisierung berücksichtigt wurde. Bei der Ermittlung des Reinertrags ist zudem auf das Ausfallwagnis (Leerstand) und auf allfällige Liquidationserlöse und Liquidationskosten Bedacht zu nehmen.

Sind die tatsächlich erzielten Erträge mangels Aufzeichnungen nicht erfassbar oder weichen sie von den bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Immobilie erzielbaren Erträge ab, so muss man von jenen Erträgen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Immobilie nachhaltig hätten erzielt werden können und dem bei einer solchen Bewirtschaftung entstehenden Aufwand ausgehen. Dafür können insbesondere Erträge vergleichbarer Immobilien oder allgemein anerkannte statistische Daten herangezogen werden. Der Zinssatz zur Ermittlung des Ertragswertes richtet sich nach der bei Immobilien dieser Art üblicherweise erzielbaren Kapitalverzinsung.

Konkretes Vorgehen

Beim Ertragswertverfahren werden zunächst der Wert des Grundstücks und der Wert der baulichen Anlagen getrennt berechnet. Begründet wird die getrennte Wertermittlung damit, dass der Boden seinen Wert nicht verliert, während ein Gebäude nur eine bestimmte Restnutzungsdauer aufweist. In Kurzform kann also gesagt werden:

Ertragswert = Bodenwert + Gebäudewert + Gebäudeertragswert der baulichen Anlagen

Gehen wir nochmal näher auf die wichtigsten Faktoren hierfür ein:

Bodenwert

Der Bodenwert eines Grundstücks wird mit dem Vergleichswertverfahren ermittelt. Dabei werden die Kaufpreise vergleichbarer, unbebauter Liegenschaften herangezogen. Das ergibt wiederum einen fiktiven Wert der unbebauten Liegenschaft, für den die abgeleitete vorhandene Bebauung und Aufschließung berücksichtigt wird. Allenfalls erforderliche Zu- & Abschläge werden nach Erfahrungssätzen bestimmt.

Rohertrag

Der Rohertrag umfasst alle bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig erzielbaren Erträge wie z.B. Miete & sonstige Vergütungen. Bei Leerstehungen, Eigennutzungen usw. sind nachhaltig erzielbare Erträge anzusetzen. Bei der Bewertung der Liegenschaft sind Erträge eines auf dieser betriebenen Unternehmens nicht zu berücksichtigen. Bei Verpachtung ist nur das im Pachtzins enthaltene Entgelt für die Nutzung der Liegenschaft anzusetzen. Ist von Nutzungen bekannt oder bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar, dass sie den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen, so ist dies bei der Prüfung der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen (z.B. für die Vermietung wurde der freie Mietzins vereinbart, es gilt nach MRG aber ein anderer Mietzins).

Bewirtschaftungsaufwand

Der Bewirtschaftungsaufwand ist die Gesamtheit aller Aufwendungen, die mit dem bestimmungsmäßigen Gebrauch der Liegenschaft notwendigerweise verbunden sind. Dazu zählen Betriebskosten, Erhaltungskosten (Instandhaltungskosten, Instandsetzungs- & Restaurierungskosten), Verwaltungskosten, bestandsbedingte Steuern und sonstige Abgaben. Es ist nur jener Bewirtschaftungsaufwand vom Rohertrag abzuziehen, der nicht von Bestandnehmern (Mietern) zu tragen ist.

Ausfallwagnis

Das Ausfallwagnis berücksichtigt das Risiko der Ertragsminderung durch Leerstehen, Uneinbringlichkeit von Mietzinsen und sonstigen Vergütungen, sowie allfälliger Folgekosten.

Kapitalisierungszinssatz

Der Zinssatz zur Ermittlung des Ertragswertes richtet sich nach der bei Investitionen in vergleichbare Objekte üblicherweise erzielbaren Kapitalverzinsung. Bei seiner Ermittlung (die begründet werden muss) müssen anerkannte Methoden angewandt werden, wie z.B.:

  • Die Ermittlung eines internen Zinssatzes vergleichbarer Objekte, wobei als solcher jener Zinssatz zu verstehen ist, für den der Kapitalwert der Investition (Differenz zwischen Barwert aller Ausgaben und Einnahmen) gleich null ist
  • Die Ermittlung eines Branchenzinssatzes durch Korrelations- & Regressionsanalyse (d.h. Feststellung eines Zusammenhangs zwischen errechneten Ertragswerten vergleichbarer Objekte mit dem jeweils tatsächlich erzielten Kaufpreis)
  • Feststellung der längerfristigen Entwicklung der inflationsbedingten Rendite festverzinslicher Wertpapiere als Basiszinssatz und Ableitung eines Liegenschaftszinssatzes unter der Berücksichtigung der Besonderheiten der Realinvestition (sowohl der Risiken als auch der Vorteile)

Restnutzungsdauer

Die restliche Nutzungsdauer von Objekten ist unter der Beachtung des technischen Zustands und der Art der Nutzung, sowie unter der Voraussetzung ordnungsgemäßer Erhaltung und Bewirtschaftung einzuschätzen. Ist das Gebäude aufgrund des Alters schon gänzlich abgeschrieben, kann ein sogenanntes fiktives Baujahr herangezogen werden, von dem aus die Restnutzungsdauer errechnet wird.

Kapitalisierungsfaktor

Der Vervielfältiger zur Kapitalisierung des Reinertrages ist identisch mit dem Kapitalisierungsfaktor für eine jährlich nachschüssig zu zahlende Rente. Dabei wird unterstellt, dass der Reinertrag während der restlichen Nutzungsdauer unverändert bleibt.

Wertbeeinflussende Umstände

Hierunter fallen z. B. Bauschäden aufgrund nicht getätigter Instandhaltungsaufwendungen, Mietbindungen, die noch nicht beim Rohertrag berücksichtigt wurden, etc. Die jeweiligen Umstände können den Ertragswert noch mindern oder erhöhen.

Insgesamt ergibt sich daraus folgendes Ablaufschema (nach ÖNORM B1802 der Liegenschaftsbewertung):

Beispielberechnung einer Eigentumswohnung

Bodenwert

2.546 m² Baugrund * 450 €/m²

= € 1.145.700,00

davon 84/4070 Anteilen

= € 23.645,90

– 10% Bebauungsabschlag

= € 2.364,60

ergibt einen Bodenwert von € 21.281,30 (gerundet € 21.280,00)

Jahresrohertrag

Wohnung mit Wohnnutzfläche von 73,21 m² * 9 €/m²

= € 658,89

zuzüglich Pauschale für Tiefgaragenstellplatz

= € 60,00

ergibt monatliche Mieteinnahmen (netto) von € 718,89

Jahresrohertrag = monatliche Einnahmen * 12

ergibt einen Jahresrohertrag von € 8.626,38

Jahresreinertrag

Jahresrohertrag

= €8.626,38

abzüglich ca. 5 % Mietausfall gerundet

= € 430,00

abzüglich ca. 0,05 % des Neubauwertes für Instandhaltung gerundet

= € 1.000,00

ergibt einen Jahresreinertrag von € 7.196,68

Kapitalzinsfuß

Der Kapitalzinsfuß wird mit 3,5 % angesetzt. Dieser Wert entspricht der Marktlage für derartige Objekte, denn das Kriterium für die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes ist das Risiko, welchem der Ertrag aus dem Realbesitz unterworfen ist. Im Allgemeinen bewegen sich die Zinssätze für Mietwohnhäuser und Wohn- & Geschäftshäuser zwischen 2,5 und 5,5 %.

Reinertrag der baulichen Anlagen

Bodenwert

= € 21.280,00

Liegenschaftsreinertrag

= € 7.196,68

abzüglich Verzinsung des Bodenwerts 21.280 € * 3,5 %

= € 744,80

ergibt einen Reinertrag der baulichen Anlagen von € 6.451,88

Ertragswert

Reinertrag der baulichen Anlagen

= € 6451,88

* Vervielfältiger lt. Tabelle 26,25

= € 169.361,85

zuzüglich Bodenwert

= € 21.280,00

ergibt einen Ertragswert von €190.641,85 (gerundet € 190.640,00)

Wann macht das Ertragswertverfahren Sinn?

Das Ertragswertverfahren wird vor allem zur Immobilienbewertung von vermieteten Wohnimmobilien sowie Gewerbeimmobilien (auch Industrie) angewendet. Auch bei gemischten Wohn- und Gewerbeimmobilien wird die Ertragswertmethode eingesetzt, um den Wert der künftigen Überschüsse aus Einnahmen und Kosten zu berechnen. Aufgrund der Komplexität des Verfahrens wird das Ertragswertverfahren zur Bewertung vermieteter Immobilien vor allem im Rahmen der Erstellung vollwertiger, kostenpflichtiger Wertgutachten eingesetzt. Es ist aber auch möglich, anhand der Nettomieteinnahmen, dem Zustand des Hauses, der Lage, etc., Näherungswerte kostenfrei zu bestimmen und somit den am Markt voraussichtlich zu erzielenden Wert (= Verkehrswert) einzuschätzen. Gerade beim Verkehrswert von Tourismus-Liegenschaften (Hotellerie & Gastgewerbe) kommt das Ertragswertverfahren sehr häufig zum Einsatz.

Vor- & Nachteile

Die Berechnung des Verkehrswertes mit der Ertragswertmethode besitzt eine sehr hohe Aussagekraft, setzt aber zeitgleich eine hohe Marktkenntnis und Erfahrung voraus. Das Verfahren ermöglicht es den Verkehrswert sehr genau zu bestimmen und eignet sich gut zur Berechnung der auf lange Sicht zu erwartenden Rendite von Anlageobjekten.

Die Abhängigkeit des Ertragswertes vom Liegenschaftszins kann bei nicht korrekter Auswahl jedoch schnell zu einer Verfälschung des Ergebnisses führen.

Oft gestellte Fragen

Was ist das Ertragswertverfahren?

Im Ertragswertverfahren wird der Wert der Immobilie durch Kapitalisierung des für die Zeit nach dem Bewertungsstichtag zu erwartenden oder erzielten Reinertrags zum angemessenen Zinssatz und entsprechend der zu erwartenden Nutzungsdauer der Immobilie ermittelt. Hierbei ist von jenen Erträgen auszugehen, die aus der Bewirtschaftung der Immobilie tatsächlich erzielt wurden (Rohertrag). Durch Abzug des tatsächlichen Aufwands für Betrieb, Instandhaltung und Verwaltung der Immobilie (Bewirtschaftungsaufwand) und der Abschreibung vom Rohertrag errechnet sich der Reinertrag. Die Abschreibung ist dabei nur abzuziehen, soweit sie nicht bereits bei der Kapitalisierung berücksichtigt wurde. Bei der Ermittlung des Reinertrags ist zudem auf das Ausfallwagnis (Leerstand) und auf allfällige Liquidationserlöse und Liquidationskosten Bedacht zu nehmen.

Wann macht das Ertragswertverfahren Sinn?

Das Ertragswertverfahren wird vor allem zur Immobilienbewertung von vermieteten Wohnimmobilien sowie Gewerbeimmobilien (auch Industrie) angewendet. Auch bei gemischten Wohn- und Gewerbeimmobilien wird die Ertragswertmethode eingesetzt, um den Wert der künftigen Überschüsse aus Einnahmen und Kosten zu berechnen. Gerade beim Verkehrswert von Tourismus-Liegenschaften (Hotellerie & Gastgewerbe) kommt das Ertragswertverfahren auch sehr häufig zum Einsatz.

Was ist das Mietausfallwagnis?

Das Ausfallwagnis berücksichtigt das Risiko der Ertragsminderung durch Leerstehen, Uneinbringlichkeit von Mietzinsen und sonstigen Vergütungen, sowie allfälliger Folgekosten.

Was ist der Rohertrag in der Vermietung?

Der Rohertrag umfasst alle bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig erzielbaren Erträge wie z.B. Miete & sonstige Vergütungen. Bei Leerstehungen, Eigennutzungen usw. sind nachhaltig erzielbare Erträge anzusetzen.

Was ist der Reinertrag in der Vermietung?

Der Rohertrag abzüglich Mietausfallwagnis und Bewirtschaftungskosten (Betrieb, Instandhaltung & Verwaltung).

Wie wird der Bodenwert ermittelt?

Der Bodenwert eines Grundstücks wird mit dem Vergleichswertverfahren ermittelt. Dabei werden die Kaufpreise vergleichbarer, unbebauter Liegenschaften herangezogen. Das ergibt wiederum einen fiktiven Wert der unbebauten Liegenschaft, für den die abgeleitete vorhandene Bebauung und Aufschließung berücksichtigt wird.

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Kurz zusammengefasst

Das Ertragswertverfahren wird vor allem zur Immobilienbewertung von vermieteten Wohnimmobilien sowie Gewerbeimmobilien (auch Industrie) angewendet. Hier wird der Wert der Immobilie durch Kapitalisierung des für die Zeit nach dem Bewertungsstichtag zu erwartenden oder erzielten Reinertrags zum angemessenen Zinssatz und entsprechend der zu erwartenden Nutzungsdauer der Immobilie ermittelt. Es wird von jenen Erträgen ausgegangen, die aus der Bewirtschaftung der Immobilie tatsächlich erzielt wurden (Rohertrag). Durch Abzug des tatsächlichen Aufwands für Betrieb, Instandhaltung und Verwaltung der Immobilie (Bewirtschaftungsaufwand), sowie des Mietausfallwagnisses und der Abschreibung vom Rohertrag errechnet sich der Reinertrag.

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