Beim Ertragswertverfahren werden zunächst der Wert des Grundstücks und der Wert der baulichen Anlagen getrennt berechnet. Begründet wird die getrennte Wertermittlung damit, dass der Boden seinen Wert nicht verliert, während ein Gebäude nur eine bestimmte Restnutzungsdauer aufweist. In Kurzform kann also gesagt werden:
Ertragswert = Bodenwert + Gebäudewert + Gebäudeertragswert der baulichen Anlagen
Gehen wir nochmal näher auf die wichtigsten Faktoren hierfür ein:
Bodenwert
Der Bodenwert eines Grundstücks wird mit dem Vergleichswertverfahren ermittelt. Dabei werden die Kaufpreise vergleichbarer, unbebauter Liegenschaften herangezogen. Das ergibt wiederum einen fiktiven Wert der unbebauten Liegenschaft, für den die abgeleitete vorhandene Bebauung und Aufschließung berücksichtigt wird. Allenfalls erforderliche Zu- & Abschläge werden nach Erfahrungssätzen bestimmt.
Rohertrag
Der Rohertrag umfasst alle bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig erzielbaren Erträge wie z.B. Miete & sonstige Vergütungen. Bei Leerstehungen, Eigennutzungen usw. sind nachhaltig erzielbare Erträge anzusetzen. Bei der Bewertung der Liegenschaft sind Erträge eines auf dieser betriebenen Unternehmens nicht zu berücksichtigen. Bei Verpachtung ist nur das im Pachtzins enthaltene Entgelt für die Nutzung der Liegenschaft anzusetzen. Ist von Nutzungen bekannt oder bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar, dass sie den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen, so ist dies bei der Prüfung der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen (z.B. für die Vermietung wurde der freie Mietzins vereinbart, es gilt nach MRG aber ein anderer Mietzins).
Bewirtschaftungsaufwand
Der Bewirtschaftungsaufwand ist die Gesamtheit aller Aufwendungen, die mit dem bestimmungsmäßigen Gebrauch der Liegenschaft notwendigerweise verbunden sind. Dazu zählen Betriebskosten, Erhaltungskosten (Instandhaltungskosten, Instandsetzungs- & Restaurierungskosten), Verwaltungskosten, bestandsbedingte Steuern und sonstige Abgaben. Es ist nur jener Bewirtschaftungsaufwand vom Rohertrag abzuziehen, der nicht von Bestandnehmern (Mietern) zu tragen ist.
Ausfallwagnis
Das Ausfallwagnis berücksichtigt das Risiko der Ertragsminderung durch Leerstehen, Uneinbringlichkeit von Mietzinsen und sonstigen Vergütungen, sowie allfälliger Folgekosten.
Kapitalisierungszinssatz
Der Zinssatz zur Ermittlung des Ertragswertes richtet sich nach der bei Investitionen in vergleichbare Objekte üblicherweise erzielbaren Kapitalverzinsung. Bei seiner Ermittlung (die begründet werden muss) müssen anerkannte Methoden angewandt werden, wie z.B.:
- Die Ermittlung eines internen Zinssatzes vergleichbarer Objekte, wobei als solcher jener Zinssatz zu verstehen ist, für den der Kapitalwert der Investition (Differenz zwischen Barwert aller Ausgaben und Einnahmen) gleich null ist
- Die Ermittlung eines Branchenzinssatzes durch Korrelations- & Regressionsanalyse (d.h. Feststellung eines Zusammenhangs zwischen errechneten Ertragswerten vergleichbarer Objekte mit dem jeweils tatsächlich erzielten Kaufpreis)
- Feststellung der längerfristigen Entwicklung der inflationsbedingten Rendite festverzinslicher Wertpapiere als Basiszinssatz und Ableitung eines Liegenschaftszinssatzes unter der Berücksichtigung der Besonderheiten der Realinvestition (sowohl der Risiken als auch der Vorteile)
Restnutzungsdauer
Die restliche Nutzungsdauer von Objekten ist unter der Beachtung des technischen Zustands und der Art der Nutzung, sowie unter der Voraussetzung ordnungsgemäßer Erhaltung und Bewirtschaftung einzuschätzen. Ist das Gebäude aufgrund des Alters schon gänzlich abgeschrieben, kann ein sogenanntes fiktives Baujahr herangezogen werden, von dem aus die Restnutzungsdauer errechnet wird.
Kapitalisierungsfaktor
Der Vervielfältiger zur Kapitalisierung des Reinertrages ist identisch mit dem Kapitalisierungsfaktor für eine jährlich nachschüssig zu zahlende Rente. Dabei wird unterstellt, dass der Reinertrag während der restlichen Nutzungsdauer unverändert bleibt.
Wertbeeinflussende Umstände
Hierunter fallen z. B. Bauschäden aufgrund nicht getätigter Instandhaltungsaufwendungen, Mietbindungen, die noch nicht beim Rohertrag berücksichtigt wurden, etc. Die jeweiligen Umstände können den Ertragswert noch mindern oder erhöhen.
Insgesamt ergibt sich daraus folgendes Ablaufschema (nach ÖNORM B1802 der Liegenschaftsbewertung):