Luftansicht auf Wiesing

Grundverkehr an land- & forstwirtschaftlichen Grundstücken in Tirol

Der Grundverkehr an land- & forstwirtschaftlichen Grundstücken in Tirol ist sehr komplex und hat das Ziel landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten. Was hier gilt und was es zu beachten gilt, erklären wir in diesem Beitrag.

Bauernhof & Wiese in den Bergen

Was gilt beim Grundverkehr an land- & forstwirtschaftlichen Grundstücken?

Am komplexesten im Grundverkehrsrecht sind die Regelungen zum Rechtserwerb für land- & forstwirtschaftliche Grundstücke. Hier besteht grundsätzlich ein sogenannter Genehmigungsvorbehalt. Das heißt, wenn alle Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, erhält der/die Erwerber*in einen Genehmigungsbescheid für den Rechtserwerb, falls nicht wird die Genehmigung versagt. Das Ziel der Bestimmungen zum land- & forstwirtschaftlichen Grundverkehr ist im Wesentlichen das öffentliche Interesse der Erhaltung und Stärkung eines lebensfähigen Bauernstandes in Tirol. Das bäuerliche Grundeigentum soll gefördert und leistungsfähige Familienbetriebe als Grundlage des Bauernstandes sollen erhalten werden. Weiters gibt es Interesse an der Schaffung, Erhaltung und Stärkung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes und der Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen und nachhaltigen Bodenbewirtschaftung. Folgende Begriffe ist hier wichtig:

Landwirt

Als Landwirt gilt, wer einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb allein oder zusammen mit Familienangehörigen oder darüber hinaus mit erforderlichen landwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet. Auch als Landwirt gelten Personen, die nach einem Rechtserwerb die Tätigkeit eines Landwirts ausüben will und die dazu erforderlichen Fähigkeiten nachweisen und die Absicht der nachhaltigen ordnungsgemäßen Bewirtschaftung durch ein Betriebskonzept glaubhaft machen kann.

Interessent

Interessenten (nach § 2 Abs. 6 des Grundverkehrsgesetz) sind Landwirte, die bereit sind, anstelle eines Rechtserwerbers, welcher kein Landwirt ist, ein gleichartiges Rechtsgeschäft über ein landwirtschaftliches Grundstück oder einen landwirtschaftlichen Betrieb unter Lebenden gegen Bezahlung eines ortsüblichen Preises oder Entgelts abzuschließen. Der Betrieb der Interessenten muss einer Aufstockung bedürfen und das Grundstück im Rahmen dieses Betriebs bewirtschaftet werden.

Genehmigungspflicht

Was unterliegt der Genehmigungspflicht?

Folgendes muss von der Grundverkehrsbehörde bei land- & forstwirtschaftlichen Grundstücken genehmigt werden:

  • Erwerb des Eigentums
  • Erwerb des Baurechts
  • Erwerb eines anderen Rechts zur Errichtung eines Bauwerks auf fremden Grund (Superädifikate)
  • Erwerb eines Fruchtnießungs- oder Gebrauchsrechts,
    insbesondere an einer Wohnung oder eines Bestandsrechts an einem landwirtschaftlichen Wohngebäude
    wenn die Bestandsdauer mehr als 5 Jahre betragen soll
    oder es im Grundbuch eingetragen werden soll
    oder wenn die Bestandfläche mehr als 3 Hektar beträgt und der Erwerber kein Landwirt ist
  • die Überlassung von Grundstücken zu einer Nutzung, die die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung ausschließt oder wesentlich beeinträchtigt
  • Erwerb von Gesellschaftsanteilen und eingetragenen Personengesellschaften,
    wenn im Eigentum der Gesellschaft land- & forstwirtschaftliche Grundstücke stehen oder die Gesellschaft einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums daran hat.
    Ein solcher Erwerb ist jedoch nur bei überwiegend land- oder forstwirtschaftlicher Tätigkeit der Gesellschaft/Genossenschaft genehmigungspflichtig oder wenn dies nicht zutrifft
    ihre land- & forstwirtschaftlichen Grundstücke zusammen eine Fläche von min 5.000 m² aufweisen und wenn mit dem Erwerb ein für die Ausübung der Nutzungs- & Verfügungsbefugnisse maßgeblicher Einfluss auf die Gesellschaft/Genossenschaft verbunden ist
  • jede Teilung eines landwirtschaftlichen Grundstücks (auch bei Teilungen im eigenen Besitz)
  • die Einbringung land- & forstwirtschaftlicher Grundstücke in eine Gesellschaft/Genossenschaft als Sacheinlage
  • die Widmung oder Zustiftung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke als Vermögen einer Stiftung

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

Folgende Ausnahmen von der Genehmigungspflicht gibt es jedoch:

  • Rechtserwerbe durch Erben oder Vermächtnisnehmer, die zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, beim Erwerb des Eigentums durch Erbteilungsübereinkommen, wenn der land- oder forstwirtschaftliche Besitz ungeteilt übergeht
  • Rechtserwerbe unter Lebenden zwischen Ehegatten und nahen Verwandten, wenn der gesamte land- oder forstwirtschaftliche Besitz ungeteilt übergeht oder in Bestand genommen wird
  • Grundstücke oder Teile davon (sogenannte Restflächen) mit einer Fläche von höchstens 300 m² oder land- und forstwirtschaftlich bedeutungslose Flächen, wenn diese an ein Grundstück im Eigentum des/der Erwerber*in angrenzen oder in unmittelbarer Nähe liegen. Diese Bestimmung darf jedoch nur einmalig angewendet werden.
  • Rechtserwerbe durch den Landeskulturfonds oder den Tiroler Bodenfonds, durch Gemeinden, das Land oder den Bund, wenn der Rechtserwerb der Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben dient

Auf jeden Fall genehmigt wird

Folgende Rechtserwerbe werden u.a. genehmigt:

  • Rechtserwerbe an forstwirtschaftlichen Grundstücken, wenn die nachhaltige und ordnungsgemäße Bewirtschaftung gewährleistet ist
  • Wenn kein Interessent (nach § 2 Abs. 6 TirGVG) vorhanden ist: Rechtserwerbe durch Personen, die nicht Landwirt sind und dabei die nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung der erworbenen Grundstücke gewährleistet ist
  • Rechtserwerbe durch Erben oder Vermächtnisnehmer, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, es sei denn, die letztwillige Zuwendung ist in der Absicht erfolgt, die Genehmigungsvoraussetzungen für Rechtserwerbe durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu umgehen
  • Rechtserwerbe, die der Erweiterung einer gewerblichen oder industriellen Anlage oder einer Bergbauanlage dienen, wenn die Fläche an ein Grundstück des/der Erwerber*in angrenzt oder in unmittelbarer Nähe liegt
  • Rechtserwerbe von weiteren Miteigentumsanteilen durch einen Miteigentümer, wenn kein anderer Miteigentümer Landwirt ist oder ein betreffender Landwirt kein Interesse am Rechtserwerb hat
  • Rechtserwerbe durch gemeinnützig anerkannte Bauvereinigungen, wenn die Grundfläche für Zwecke des geförderten Wohnbaus geeignet ist und zu erwarten ist, dass die Grundfläche spätestens anlässlich der nächstfolgenden Fortschreibung des öffentlichen Raumordnungskonzepts in die bauliche Entwicklungsbereiche einbezogen wird und weiters eine rechtsverbindliche Vereinbarung des Rechtserwerbers mit der Gemeinde über die bauliche Verwendung vorliegt

Auf jeden Fall nicht genehmigt wird

Die grundverkehrsrechtliche Genehmigung wird sicherlich nicht erteilt wenn:

  • die nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht gewährleistet ist
  • die durch ein Agrarverfahren erzielte günstige Agrarstruktur beeinträchtigt wird
  • die Gegenleistung für das zu erwerbende Recht den ortsüblichen Preis um mehr als 30 % übersteigt
  • der Erwerber nicht Landwirt ist und zumindest ein Interessent vorhanden ist

Interessentenregelung

Die Interessentenregelung sieht für den Fall, dass ein Erwerber nicht Landwirt ist, die Einleitung eines Verfahrens zur Interessentensuche durch die Grundverkehrsbehörde vor. Eine Kundmachung muss erstellt und in der Gemeinde des Grundstücks veröffentlicht werden. Während der Kundmachungsfrist können Personen ihr Interesse an einem Erwerb anmelden, dabei ihre Interessenteneigenschaft glaubhaft machen sowie die verbindliche Erklärung zur Bezahlung des ortsüblichen Preises und zum Abschluss eines entsprechenden Rechtsgeschäfts abgeben. Die Anmeldung hat die Wirkung eines verbindlichen Angebots gegenüber dem Veräußerer bis zum Ablauf von 4 Wochen nach dem Eintritt der Rechtskraft des versagenden Bescheides. Mit der fristgerechten Anmeldung erlangt der Interessent Parteistellung im weiteren Verfahren. Das Grundstück muss jedoch im selben Gemeindegebiet liegen, in dem der Interessent seinen Betrieb hat oder in einer betriebswirtschaftlich vertretbaren Entfernung. Der ortsübliche Preis ist von der Grundverkehrsbehörde zu ermitteln.

kein Interessentenverfahren

Bei folgenden Rechtserwerben braucht es kein Interessentenverfahren:

  • aufgrund von Tauschverträgen (bei Wertgleichheit) oder Realteilungsverträgen
  • aufgrund von Zwangsversteigerungen
  • bei Rechtserwerben, die allein den Zweck der ungeteilten Einbringung in eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft verfolgen, die vom bisherigen Rechtsinhaber beherrscht wird oder deren Begünstigter er ist
  • bei landwirtschaftlichen Grundstücken, die in den letzten 10 Jahren im Rahmen desselben landwirtschaftlichen Betriebs mit bewirtschaftet wurden und diese für den Betrieb des Pächters von wesentlicher Bedeutung sind (Fläche von min. 2 Hektar) und die pachtweise Bewirtschaftung durch diesen Landwirt weiterhin auf die Dauer von 10 Jahren gewährleistet ist
  • zwischen Ehegatten oder eingetragenen Partnern sowie nahen Angehörigen

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