Luftansicht auf Wiesing

Eigenbedarf & Ersatzbeschaffung in der Miete

Im Voll- & Teilanwendungsbereich MRG zählt der Eigenbedarf (mit und ohne Ersatzbeschaffung) zu den möglichen Kündigungsgründen von Vermieter*innen. Wir erklären, was es damit auf sich hat und geben einen Überblick über Fälle der Rechtsprechung.

Haus liegt in 2 Paar Händen

Grundsätzliches zum Eigenbedarf

Der Eigenbedarf stellt einen wichtigen Kündigungsgrund nach § 30 MRG dar, der Vermieter*innen dazu berechtigt, ein Mietverhältnis gerichtlich aufzukündigen. Grundsätzlich handelt es sich hier um mehrere Kündigungsgründe:

  • Eigenbedarf ohne Ersatzbeschaffung
  • Eigenbedarf mit Ersatzbeschaffung
  • Bedarf für Betriebsangehörige
  • Bedarf einer Gebietskörperschaft

Für den Fall, dass ein/e Vermieter*in ein Mietobjekt also für sich selbst oder für nahe Angehörige dringend benötigt, kann er/sie wegen Eigenbedarf kündigen. Hierbei muss er/sie jedoch nachweisen, dass der Eigenbedarf auch tatsächlich besteht.

Eigenbedarf ohne Ersatzbeschaffung

Folgende Voraussetzungen braucht es hierfür:

  • dringender Eigenbedarf
  • des Vermieters (oder Fruchtnießers) oder dessen Verwandte in absteigender Linie (Kinder, Enkel)
  • der nicht selbst verschuldet sein darf
  • an Wohnräumen
  • wobei eine Interessensabwägung zu Gunsten des Vermieters ausfallen muss
  • und der Vermieter das Eigentum nicht erst in den letzten 10 Jahren unter Lebenden erworben haben darf (z.B. Schenkung)
  • und die Kündigung zumindest durch die Hälfte der Miteigentümer erfolgen muss

Dazu ist wichtig zu wissen, dass eine Eigenbedarfskündigung an Geschäftsräumlichkeiten nur mit Ersatzbeschaffung möglich ist. Wird keine Ersatzwohnung angeboten, deutet dies automatisch auf den Kündigungsgrund Eigenbedarf ohne Ersatzbeschaffung hin. Eine Interessensabwägung entfällt, wenn es sich um eine vom Wohnungseigentümer nach Wohnungseigentumsbegründung vermieteten Eigentumswohnung handelt, sowie weiters auch für Einfamilienhäuser (wobei diese seit 2001 ohnehin in die Vollausnahme MRG fallen). Behauptungs- & Beweispflichtig über seine Interessen ist immer der Vermieter.

10-jährige Sperrfrist

Der Erwerb in den letzten 10 Jahren wird erst mit dem Einwand des Gekündigten wichtig. Diese Sperrfrist gilt auch für Erben des Einzelrechtsnachfolgers, jedoch nicht, wenn auch schon der (verstorbene) Rechtsvorgänger des kündigenden Vermieters die Kündigung hätte geltend machen können. Sie ist auch auf Eigentumswohnungen anzuwenden, nicht aber auf den Ersteigentümer einer neu geschaffenen Eigentumswohnung, bei Vermietung erst nach Erwerb und auch nicht bei Rechtsgeschäften von Todes wegen (Erbteilungsübereinkommen). Zweck dieser Regelung ist nur die Verhinderung von Spekulationskäufen.

Dringender Eigenbedarf?

Fällt der dringende Eigenbedarf während des Kündigungsverfahrens weg, liegt der hierauf gegründete Kündigungsgrund nicht vor. Die bloße Ansicht, dass in Zukunft eine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung stehen wird, kann nur bei der Interessensabwägung berücksichtigt werden (die bei Eigentumswohnungen wegfällt). Die Möglichkeit zur vorläufigen Unterkunft führt jedoch nicht zum Wegfall des Eigenbedarfs während des Rechtsstreits. Auf vage, in der Zukunft liegende Ereignisse darf man keinen Bedacht nehmen. Auch nicht auf die Befürchtung, dass eine Lebensgemeinschaft zu Ende gehen und sich danach ein Eigenbedarf an der aufgekündigten Wohnung ergeben könnte. Der bloße Umstand hingegen, dass die Freundin nichts dagegen hat, dass der kündigende Vermieter fallweise die Nächte bei ihr verbringt, schließt den Eigenbedarf nicht aus. Demnach muss die unabweisliche Notwendigkeit bestehen, den vorhandenen Zustand so bald wie möglich zu beseitigen.

Die Gefahr gesundheitlicher Schädigung des Vermieters rechtfertigt die Aufkündigung. Der Eigenbedarf ist nicht nur bei Gefahr der schweren (lebensbedrohenden) gesundheitlichen Schädigung des Vermieters zu bejahen, auch eine Verhinderung der Stabilisierung des Gesundheitszustands ist ausreichend. Die Eigenbedarfskündigung kann nur zugunsten von Personen, die (allenfalls zusammen) min. Hälfteeigentumer sind erfolgen oder zu diesem in einem Naheverhältnis stehen. Folgende Fälle wurden in der Praxis als Eigenbedarf bejaht:

  • wenn das Kind des Wohnungseigentümers ohne Kündigung das Wohnbedürfnis nur im Studentenheim befriedigen könnte
  • wenn dem Enkel (samt Lebensgefährtin & Kleinkind) der Vermieterin nur zwei (unbrauchbare) Substandardwohnungen zur Verfügung stehen
  • im Zusammenhang mit der erforderlichen Pflege es betagten Vaters, sowie
  • der temporäre Wohnsitzwechsel (aus dem Ausland) zum Zweck des Aufenthalts in der Nähe der alten kränklichen Eltern
  • auch das Büro oder ein unbeheizbares Kleingartenhaus stellen keine ausrechende Wohnmöglichkeit dar
  • im allgemeinen darf die Kündigung nicht allein deswegen abgewiesen werden, weil der Vermieter finanziell in der Lage wäre, sich ein anderes Mietobjekt zu beschaffen
  • familienrechtliche Wohnansprüche verhindern den Bedarf an der eigenen Eigentumswohnung nicht
  • auch eine juristische Person kann Eigenbedarf geltend machen

in folgenden Fällen wurde ein Eigenbedarf jedoch abgelehnt:

  • wenn eine Neuverteilung der dem Vermieter zur Verfügung stehenden Räume möglich ist: ein menschenwürdiges Wohnen reicht aus, ein durchschnittlicher neuzeitlicher Wohnungsstandard muss nicht erreicht werden
  • der Wunsch des Vermieters, berufliche Tätigkeiten (konkret privater Musikunterricht) in seiner Wohnung ausüben zu wollen, reicht für die Begründung eines Eigenbedarfs nicht aus
  • ein Schlafraum von rund 24 m² ist innerhalb einer ca. 63 m² großen Wohnung für 3 Personen ausreichend
  • eine Interessensabwägung hat auch auf alternative Wohnmöglichkeiten des Mieters Bezug zu nehmen
  • die beabsichtigte Unterbringung von Dienstnehmern begründet keinen Eigenbedarf

Selbstverschulden des Vermieters

Das Selbstverschulden am Eigenbedarf schließt die Kündigung grundsätzlich aus. Anzunehmen ist dies dann, wenn der Vermieter schuldhaft eine Sachlage herbeigeführt hat, die ihn zwingt, zur Deckung seines Eigenbedarfs aufzukündigen. Dazu gehört z.B. die Vermietung trotz absehbaren Eigenbedarf oder die ungenützte Möglichkeit, die baubehördliche Genehmigung zum Bewohnen eines an sich zu Wohnzwecken geeigneten Objekts zu erlangen oder wenn der Vermieter es sorgfaltswidriger Weise verabsäumt hat, ein an sich mögliches Eintrittsrecht hinsichtlich einer anderen Wohnung auszuüben. Allerdings dürfen dem Vermieter wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen nicht aufgelastet werden. Das Scheitern einer Lebensgemeinschaft, aus welchen Gründen auch immer, ist nicht als selbstverschuldeter Eigenbedarf anzusehen.

Eigenbedarf mit Ersatzbeschaffung

Folgende Unterschiede in den Voraussetzungen zum Eigenbedarf ohne Ersatzbeschaffung gibt es:

  • die Kündigung ist auch bei Geschäftsräumen möglich
  • es gibt keine Interessensabwägung
  • der Zeitpunkt des Erwerbs ist bedeutungslos
  • der Eigenbedarf von Verwandten in aufsteigender Linie (Eltern, Großeltern) wird berücksichtigt
  • es ist eine Ersatzbeschaffung (nach § 32 MRG) erforderlich

Der Eigenbedarf eines Lebensgefährten kann kann grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Die Anforderungen an die Ersatzbeschaffung, sowie dessen Verfahren ist etwas kompliziert und wird gleich genauer besprochen. Wenn das Gericht mit Zwischenurteil über das Vorliegen des Kündigungsgrunds mit Ersatzbeschaffung positiv entschieden hat, entfällt damit automatisch bindend der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs ohne Ersatzbeschaffung. Dies muss in der Entscheidung nicht ausdrücklich erwähnt werden.

Für Geschäftsräume gilt, dass eine Zukunftsprognose über das zu gründende Unternehmen des Vermieters nicht erforderlich ist. Verlangt werden jedoch zur Aufkündigung das Vorliegen ganz besonderer Umstände, die es dem Vermieter oder dessen Verwandten in gerader Linie unzumutbar erscheinen lassen, das erst zu öffnende Geschäft an anderer Stelle zu eröffnen. Der Betrieb kann etwa in der ohnedies zu beschaffenden Ersatzmöglichkeit für den Mieter erfolgen.

Die Ersatzbeschaffung

Die Ersatzbeschaffung kommt grundsätzlich bei folgenden Kündigungsgründen zur Anwendung:

  • Eigenbedarf mit Ersatzbeschaffung
  • Bedarf einer Gebietskörperschaft
  • wirtschaftliche Abbruchreife
  • Abbruch mit Interessenbescheid
  • Kündigung zur Standardanhebung

Verfahren

So läuft das Ersatzbeschaffungsverfahren ab:

Der kündigende Vermieter kann das Ersatzobjekt grundsätzlich schon in der Kündigung anbieten oder sich vorbehalten, dieses erst im Zuge des Verfahrens zu nennen. Gibt es keine Einwendungen des Mieters, ist die Kündigung formell rechtskräftig, aber nicht vollstreckbar. Hat der Mieter Einwendungen, muss das Gericht vorerst mit einem Zwischenurteil entscheiden, ob der Kündigung an sich stattgegeben wird. Gegen diese Zwischenentscheidung ist ein Rechtsmittel möglich. Ergreift der Vermieter dieses Rechtsmittel nicht, steht mit dem Zwischenurteil zugleich auch bindend fest, dass der Kündigungsgrund Eigenbedarf ohne Ersatzbeschaffung nicht gegeben ist.

Wird durch das Zwischenurteil entschieden, dass der Kündigungsgrund gegeben ist, hat der Vermieter binnen 3 Monaten nach Rechtskraft des Zwischenurteils folgende Ersatzbeschaffungen anzubieten:

  • dem Wohnungsmieter: 2 entsprechende Wohnungen, die dem Mieter nach Größe, Ausstattung, Lage & Höhe des Mietzinses unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären & wirtschaftlichen Lage zumutbar sind.
  • dem Geschäftsraummieter: eine nach Lage und Beschaffenheit angemessene Ersatzräumlichkeit

Diese Verpflichtung erweist sich in der Praxis als die größte Hürde. Die Anforderungen an das (eine) Ersatzobjekt sind bei der Geschäftsraummiete höher als bei Wohnungen.

Erst 3 Monate nach Zustellung des Anbots an den Mieter kann der Vermieter die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Wird kein Anbot erstellt oder erachtet der Mieter das angebotene Ersatzobjekt als nicht geeignet, kann der Mieter die Fortsetzung des Verfahrens (mit dem Ziel der Abweisung der Kündigung) beantragen. Im fortgesetzten Verfahren kann der Mieter vom Vermieter verlangen, ihm statt eines Ersatzobjekts eine angemessene Entschädigung anzubieten. Wird der Ersatzmietgegenstand vom Mieter angenommen, wird die Kündigung für Rechtswirksam erklärt, ebenso wenn die Geldentschädigung angenommen wird.

Wird keine Entschädigung angeboten oder ist die Höhe strittig, so muss das Gericht vor Ende der Verhandlung die angemessene Entschädigung mit Beschluss festsetzen und kann erst nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses über die Aufkündigung durch ein Endurteil entscheiden.

Die Aufkündigung wird nur dann als rechtswirksam erklärt, wenn der Mieter entweder das Ersatzanbot bzw. die Entschädigung angenommen hat oder sich erweist, dass der Ersatzmietgegenstand oder die Entschädigung angemessen ist. In letzterem Fall wird die Kündigung nicht aufgehoben, der Mieter erhält jedoch die festgesetzte Entschädigung. Entspricht der Ersatzmietgegenstand nicht den Angemessenheitskriterien des Gerichts, wird die Kündigung aufgehoben.

Der Mieter hat weiters Anspruch auf den Ersatz der Übersiedlungskosten innerhalb der Gemeinde. Die Komplexität des Verfahrens und der damit verbundene Zeitaufwand sind der Grund, warum generell alle Kündigungsgründe mit Pflicht zur Ersatzbeschaffung weitgehend totes Recht sind, dass eigentlich nie zur Anwendung kommt. Ironischerweise könnte man auch sagen, wenn ohnehin eine mögliche Ersatzbeschaffung nach diesen Kriterien vorhanden ist, lohnt es sich eigentlich nicht den Kündigungsgrund anzumelden, wenn man als Vermieter die Ersatzbeschaffung auch gleich und viel einfacher für sich selbst nutzen kann.

Weitere Bedarfskündigungsgründe

Bedarf für Betriebsangehörige

Hierfür gelten folgende Voraussetzungen:

  • der Mietgegenstand muss bereits seinerzeit zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des Betriebs bestimmt gewesen sein
  • dringender Bedarf an Dienstwohnungen für eigene Betriebsangehörige
  • der Vermieter muss wenigstens Hälfteeigentümer sein

Die Vermietung von ehemals der Unterbringung von Dienstnehmern dienenden Räumen zu Geschäftszwecken beseitigt die Widmung als Dienstwohnung für Betriebsangehörige auf Dauer. Eine vorübergehende Vermietung an Dritte (zu Wohnzwecken) schadet jedoch nicht. Bei der Annahme einer Widmungsänderung (Aufgabe als Betriebswohnung) ist zu Lasten des Mieters ein sehr großzügiger Maßstab anzulegen, es kommt aber immer auf die Umstände des Einzelfalls an.

Bedarf einer Gebietskörperschaft

Hierfür gelten folgende Voraussetzungen:

  • Bund, Bundesland oder Gemeinde ist Eigentümer wenigstens zur Hälfte
  • es besteht ein Bedarf an den aufgekündigten Räumen zu Zwecken der Hoheitsverwaltung
  • es bestand keine vorherige Verwendung der aufgekündigten Räume zu Zwecken der Verwaltung
  • es braucht eine Ersatzbeschaffung nach § 32 MRG.

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