Können Käufer von Wohnungen zurücktreten, wenn der vertraglich vorgesehene Übergabetermin wegen der Einstellung der Baustelle infolge COVID-19 nicht eingehalten werden kann?
Fehlen vertragliche Vereinbarungen darüber, wie mit Fällen höherer Gewalt umzugehen ist, gelten die gesetzlichen Vorschriften. Wird das vertraglich vereinbarte späteste Übergabedatum überschritten, gerät der Bauträger objektiv im Verzug – dies unabhängig davon, ob der Verzug auf höhere Gewalt zurückzuführen ist. Der Käufer kann sich sohin entscheiden, ob er am Vertrag festhalten und weiter an der vertragsgemäße Erfüllung festhalten will oder ob unter Setzung einer „angemessenen“ Nachfrist vom Kaufvertrag zurücktreten will. Unklar bleibt, was unter den gegebenen Voraussetzungen unter einer angemessenen Nachfrist zu verstehen sein wird. Dies wird auf eine Beurteilung im Einzelfall hinauslaufen, wobei wohl die Interessen beider Vertragsparteien als auch die Dauer der Unterbrechung und welche Leistungen noch zu erbringen sind, zu berücksichtigen sein werden. Dem Bauträger wird hier ausreichend Zeit eingeräumt werden müssen, um seine Leistungen nachzuholen.
Anmerkung bei grundbücherlichen Sicherung: Bei der in der Praxis häufigsten grundbücherlichen Sicherung (§§ 9 iVm 10 BTVG) wird ein Vertragsrücktritt des Erwerbers vom gesamten Bauträgervertrag wegen verspäteter Fertigstellung der Wohnung kaum erfolgen, da der einzige Wert- und Sicherungsgegenstand des Erwerbers die ihm eingeräumten Rechte am Bauträgerobjekt sind; de facto wird zu seinen Gunsten bereits die § 40 Abs 2 – Anmerkung erfolgt sein, allenfalls die ihm gehörigen (vorerst) schlichten Miteigentumsanteile einverleibt. Wie auch Gartner richtig ausführt, ist – zumindest beim grundbücherlichen Sicherungsmodell – ein Gesamtrücktritt des Erwerbers wirtschaftlich und damit praktisch nur dann unproblematisch, wenn der Bauträger wirtschaftlich entsprechend stark ist und die durch den (rechtswirksamen) Rücktritt entstehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen tragen kann. Bei einem Bauträger der sich praktisch die Rückzahlung des empfangenen Kaufpreises nicht leisten kann (und die Kaufpreise in der Praxis ev. bereits an die ihn finanzierende Bank verpfändet hat), wäre eine Rücktrittserklärung des Erwerbers vom gesamten Vertrag schädlich, es bleibt für den Erwerber praktisch nur die Möglichkeit des Teilrücktritts von den noch ausstehenden Bauleistungen des Bauträgers. Die Androhung des Teilrücktritts bzw. die Erklärung desselben gemäß § 918 ABGB wird sich für den Erwerber als günstiger als ein Gesamtrücktritt erweisen, da bereits Teilzahlungen gemäß Ratenplan geleistet wurden und die entsprechenden Grundbuchseintragungen erfolgt sind. In der Praxis werden sich bei Gesamt- oder Teilrücktritten naturgemäß Konflikte bei der Beurteilung der Angemessenheit der einzuräumenden Nachfrist ergeben: Bei der Prüfung der Angemessenheit der vom Käufer gesetzten Nachfrist ist auf die Dringlichkeit (alter Mietvertrag gekündigt, alternative Wohnmöglichkeit, etc.), den im Vertrag vereinbarten Übergabetermin (ev. ist im Bauträgervertrag der Hinweis auf höhere Gewalt eingearbeitet) und die Dauer des bisherigen Verzuges (Dauer der verzögernden Maßnahmen nur aufgrund COVID-19?) entsprechend Bedacht zu nehmen.