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Carmen Rezac

Carmen Rezac

Marketing & PR | Immobilienmaklerin

Verzug & Rücktritt bei Bauträgerprojekten

Die Corona-Krise führt vielfach zu einem Baustellenstop für aktuelle Bauträgerprojekte. Damit verbunden: Die Fertigstellung des Wohnbaus dauert länger und somit rückt auch der vereinbarte Übergabstermin für Käufer in die Ferne. Doch welche Ansprüche ergeben sich für Käufer daraus.

Grundsätzlich stellt sich einmal eine zentrale Frage:

Architekt mit Plänen auf der Baustelle: Beitragsbild Verzug & Rücktritt bei Bauträgerprojekten

Vertragsrücktritt durch Corona?

Können Käufer von Wohnungen zurücktreten, wenn der vertraglich vorgesehene Übergabetermin wegen der Einstellung der Baustelle infolge COVID-19 nicht eingehalten werden kann?

Fehlen vertragliche Vereinbarungen darüber, wie mit Fällen höherer Gewalt umzugehen ist, gelten die gesetzlichen Vorschriften. Wird das vertraglich vereinbarte späteste Übergabedatum überschritten, gerät der Bauträger objektiv im Verzug – dies unabhängig davon, ob der Verzug auf höhere Gewalt zurückzuführen ist. Der Käufer kann sich sohin entscheiden, ob er am Vertrag festhalten und weiter an der vertragsgemäße Erfüllung festhalten will oder ob unter Setzung einer „angemessenen“ Nachfrist vom Kaufvertrag zurücktreten will. Unklar bleibt, was unter den gegebenen Voraussetzungen unter einer angemessenen Nachfrist zu verstehen sein wird. Dies wird auf eine Beurteilung im Einzelfall hinauslaufen, wobei wohl die Interessen beider Vertragsparteien als auch die Dauer der Unterbrechung und welche Leistungen noch zu erbringen sind, zu berücksichtigen sein werden. Dem Bauträger wird hier ausreichend Zeit eingeräumt werden müssen, um seine Leistungen nachzuholen.

Anmerkung bei grundbücherlichen Sicherung: Bei der in der Praxis häufigsten grundbücherlichen Sicherung (§§ 9 iVm 10 BTVG) wird ein Vertragsrücktritt des Erwerbers vom gesamten Bauträgervertrag wegen verspäteter Fertigstellung der Wohnung kaum erfolgen, da der einzige Wert- und Sicherungsgegenstand des Erwerbers die ihm eingeräumten Rechte am Bauträgerobjekt sind; de facto wird zu seinen Gunsten bereits die § 40 Abs 2 – Anmerkung erfolgt sein, allenfalls die ihm gehörigen (vorerst) schlichten Miteigentumsanteile einverleibt. Wie auch Gartner richtig ausführt, ist – zumindest beim grundbücherlichen Sicherungsmodell – ein Gesamtrücktritt des Erwerbers wirtschaftlich und damit praktisch nur dann unproblematisch, wenn der Bauträger wirtschaftlich entsprechend stark ist und die durch den (rechtswirksamen) Rücktritt entstehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen tragen kann. Bei einem Bauträger der sich praktisch die Rückzahlung des empfangenen Kaufpreises nicht leisten kann (und die Kaufpreise in der Praxis ev. bereits an die ihn finanzierende Bank verpfändet hat), wäre eine Rücktrittserklärung des Erwerbers vom gesamten Vertrag schädlich, es bleibt für den Erwerber praktisch nur die Möglichkeit des Teilrücktritts von den noch ausstehenden Bauleistungen des Bauträgers. Die Androhung des Teilrücktritts bzw. die Erklärung desselben gemäß § 918 ABGB wird sich für den Erwerber als günstiger als ein Gesamtrücktritt erweisen, da bereits Teilzahlungen gemäß Ratenplan geleistet wurden und die entsprechenden Grundbuchseintragungen erfolgt sind. In der Praxis werden sich bei Gesamt- oder Teilrücktritten naturgemäß Konflikte bei der Beurteilung der Angemessenheit der einzuräumenden Nachfrist ergeben: Bei der Prüfung der Angemessenheit der vom Käufer gesetzten Nachfrist ist auf die Dringlichkeit (alter Mietvertrag gekündigt, alternative Wohnmöglichkeit, etc.), den im Vertrag vereinbarten Übergabetermin (ev. ist im Bauträgervertrag der Hinweis auf höhere Gewalt eingearbeitet) und die Dauer des bisherigen Verzuges (Dauer der verzögernden Maßnahmen nur aufgrund COVID-19?) entsprechend Bedacht zu nehmen.

Weitere Fragen

Muss der Bauträger bei einem Baustellenstopp oder falls dadurch bereits Verzögerungen absehbar die Käufer informieren?

Er kann, muss aber nicht. Da es keine gesetzlichen Berichtspflichten gegenüber dem Käufer gibt, ist auch nicht zwingend von einer Verpflichtung des Bauträgers auszugehen, die Käufer über einen Baustellenstopp zu unterrichten.

Kann der Käufer, wenn der Bauträger mit der Übergabe wegen COVID-19 Maßnahmen in Verzug gerät, Schadenersatz vom Bauträger verlangen?

Ist der Verzug des Bauträgers auf Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 zurückzuführen, wird ihm daran kein Verschulden vorwerfbar sein. Für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen ist allerdings ein subjektives Verschulden Voraussetzung, daher werden Schadenersatzleistungen (z.B. für die Anmietung eines Ersatzquartiers) aufgrund einer verspäteten Fertigstellung des Objekts nicht aussichtsreich sein.

Können Käufer aufgrund von Corona-Krise von einem bereits wirksam gestellten Kauf- oder Mietanbot – rechtswirksam zurücktreten?

Auch wenn wir uns aufgrund der COVID-19 Krise in einer Art Ausnahmesituation befinden, werden damit nicht zivilrechtliche Vereinbarungen außer Kraft gesetzt. Ein beiderseitig unterfertigtes Kauf- oder Mietanbot wird grundsätzlich als gültiger Kaufvertrag qualifiziert, selbst wenn noch keine Kauf- oder Mietvertragsurkunde unterfertigt wurde. Ohne einen wirksam vereinbarten Vorbehalt wird ein Käufer oder Mieter von einem gültigen Miet-/ oder Kaufanbot aufgrund von COVID-19 nicht zurücktreten treten können. Wenn sich die wirtschaftliche Situation des Mieters oder Käufers infolge der COVID-19 Krise derart verschlechtert, dass absehbar ist, dass das vereinbarte Entgelt nicht geleistet werden kann, wird man wohl abseits rechtlicher Kriterien andere Lösungen finden müssen. Allenfalls wäre zu prüfen, ob der Käufer – in seltenen, besonderen Einzelfällen – mit einem Wegfall der Geschäftsgrundlage argumentieren kann.

Dieser Beitrag entstand auf Basis einer Aussendung des Österreichischen Verbands für Immobilienwirtschaft (ÖVI).

Für den Inhalt: ÖVI, Mariahilfer Straße 116/2.OG/2, 1070 Wien

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